Partnerschaft Minamiuonuma - Sölden

40 Jahre Partnerschaft

Ein seltsamer Flirt?

Nachdem erste partnerschaftliche Beziehungen in Europa bereits in der Zwischenkriegszeit begonnen hatten, entstanden Gemeindepartnerschaften vorwiegend nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Wille zur Aussöhnung und Völkerverständigung standen dabei im Vordergrund. Ehemalige Kriegsgegner wollten sich wieder annähern und gemeinsam am Wiederaufbau des Friedens mitwirken. Spätere und heutige Ziele von Städtepartnerschaften sind weit umfangreicher, gegenseitiger Austausch in den Bereichen Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft, Jugend oder Sport sind hier die Schlagworte. Gut ein Drittel aller österreichischen Gemeinden unterhalten formelle Partnerschaften in aller Welt. Dieser Wert ist als hoch anzusehen, da wir von durchschnittlich 4200 Einwohner sprechen und Partnerschaften für kleinere Gemeinden finanziell und organisatorisch aufwändig sind. 30 österreichische Gemeinden pflegen Partnerschaften mit japanischen Komunen, in Tirol vorwiegend Orte mit starkem touristischem Hintergrund. Neben Sölden sind dies Neustift i. St., St. Anton, Reutte, Breitenwang, Leutasch, Wörgl, Kramsach (hier war die Glasfachschule das verbindende Element) und Kitzbühel.

Die Partnergemeinde von Sölden, Minamiuonuma, liegt rund 200 km nördlich von Tokio auf der Hauptinsel Honshu in den Japanischen Alpen und hat nach dem zweiten Weltkrieg eine ähnliche touristische Entwicklung erlebt wie Sölden, wenngleich auch mit völlig unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen. Seit der Beurkundung vom 24. April 1982 unterhält Sölden eine Partnerschaft mit der damaligen Gemeinde Shiozawa. Dieser Vorvertrag wurde in Japan von Herbert Rangger und Luis Pirpamer unterzeichnet. Dazu muss erwähnt werden, dass die Partnerschaft der Tourismusverband Innerötztal entwickelte und entsprechend forcierte. Der Tourismusverband, mit Direktor Gerd Braumandl und Obmann Franz Gstrein damals noch Dritteleigentümer des Reisebüros Innerötztal, betraute kurzentschlossen dessen Geschäftsführer Herbert Rangger mit dieser ehrenvollen Aufgabe. O-Ton Herbert: „Ich kam zu dem Job wie die Jungfrau zum Kind“. Luis Pirpamer war als Gemeinderat der politische Vertreter. Da formal jedoch nur Gemeinden Partner sein können, unterzeichneten am 25. August 1983 hochoffiziell Bürgermeister Franz Santer und Bürgermeister Wagata den Vertrag. Mit 1. Oktober 2005 wurde Shiozawa der Stadt Minamiuonuma eingemeindet, die neuerliche Beurkundung erfolgte am 17. Mai 2007 durch Bürgermeister Ernst Schöpf.

Wie kam es nun zu dieser Partnerschaft? Bereits vor deutlich mehr als 100 Jahren holte sich Japan Wintersport-Knowhow aus Österreich. Hannes Schneider und Oberst Bilgeri um die Jahrhundertwende (1899 – 1901) und etwas später Major von Lerch (1911) waren wichtige Wegbereiter für den japanischen Schisport, der zu dieser Zeit ausschließlich militärischen Zwecken diente. Die österreichische Schule wurde gegenüber allen anderen, vor allem der französischen, bevorzugt. Später, ab den frühen 1960er Jahren, bestanden enge wirtschaftliche und sportliche, aber auch persönliche Verbindungen der Familien von Prof. Franz Hoppichler, Paul Aste aus dem Wipptal und der Familie Pall (Tochter Olga Pall) nach Japan. Durch Prof. Hoppichler wurde Obergurgl mit dem damaligen Bundessportheim weltweit bekannt. Daran erinnerte sich ein gewisser Masahiko Suzuki und ließ seine beiden Töchter nach deren Rennsportkarriere in Obergurgl die Staatliche Österreichische Schilehrerausbildung absolvieren. Suzuki als Vertreter der Investorengruppe und Shoji Onozuka als Geschäftsführer des Tourismusverbandes in Shiozawa waren die treibenden Kräfte für die Partnerschaft seitens der Japaner. Was waren die Erwartungen? Mit dieser Partnerschaft konnte Minamiuonuma wertvolle Erfahrungen im Innerötztal sammeln und sich touristisch positiv entwickeln. Japaner sind bekannt für unbeirrtes Lernen; wie selbstverständlich reisten 6-8 Jugendliche jährlich nach Europa, um fremde Kulturen kennen zu lernen und den eigenen Horizont zu erweitern. In den späten 80er Jahren trainierten jährlich rund 15 Jugendliche für mehrere Wochen in Sölden am Rettenbachgletscher.

Demgegenüber sah Sölden in Asien einen zusätzlichen Markt. Nicht nur Sölden, auch oben genannte Tiroler Orte waren mit Unterstützung der Tirol Werbung in Japan vor Ort und suchten ab 1982 auf der Tourismusfachmesse „Tokio Fair“ nach Partnern, um den japanischen Tourismusmarkt zu bearbeiten. Für Sölden erwiesen sich diese Erwartungen bald als zu hoch und die Österreich-Werbung übernahm ab 1986 die Marketingaktivitäten. Eine Woche Bergsport in Sölden gehörte nicht den Erlebnis- und Erfahrungserwartungen der japanischen Gäste, vielmehr bevorzugten sie eine Europareise durch mehrere Länder und Städte. Nach und nach verringerte sich auch das Interesse der Ötztaler und die Delegationen wurden immer überschaubarer.

Ist für Sölden trotz der wirtschaftlichen Enttäuschung diese Partnerschaft dennoch nachhaltig? JA! Was für Sölden allemal blieb, sind die Erfahrungen, die Kontakte und das Verständnis für fremde Kulturen und Länder. Zahlreiche Gemeindebürger, welche Minamiuonuma und Japan bereisten oder dort arbeiteten, erzählen fast ausnahmslos Positives, und meist mit nach oben gezogenen Mundwinkeln.

Aus Partnern wurden Freunde mit respektvollem Umgang miteinander. Zeuge dieser Freundschaft ist neben den rund ein Dutzend gegenseitigen Besuchen auch die finanzielle Unterstützung, welche Sölden nach dem Hochwasser 1987 erfahren hat. Dass gegenseitiges Kennen und Verstehen auf dieser Welt wichtiger denn je sind bzw. wären, kann täglich den Nachrichten entnommen werden.

Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen! (japanisches Sprichwort)

Text: Wolfgang Santer, Chronist

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