25.07.2024
Chronik
Tabaktrafik in Heiligkreuz
Ein Beitrag aus der Chronik.
Auf der Suche nach einem Ereignis, welches vor genau 100 Jahren in unserer Gemeinde stattgefunden hat, stieß der Chronist auf eine Mitteilung im „Allgemeinen Tiroler Anzeiger“ vom 21. August 1922: Ausschreibung der Tabaktrafik in Heiligkreuz. Der erste Gedanke: Heute gibt es keine Trafik mehr in Sölden, vor einhundert Jahren gab es eine in Heiligkreuz?
Die Gründung des bis heute streng geregelten Tabakmonopols geht auf Kaiser Josef II. und das Jahr 1784 zurück. Seit dieser Zeit war es dem Staat vorbehalten, Anbau, Verarbeitung und Handel von Tabakwaren zu organisieren. Bereits nach kurzer Zeit wurden Kriegsopfer, Witwen und schuldlos verarmte Personen bei der Vergabe der Lizenzen bevorzugt. Auch heute hat die sogenannte „Monopolverwaltung“ die Aufgabe, die Nahversorgung zu garantieren, die Gesetze zu überwachen und vor allem die Vergabe nach sozialen Kriterien durchzuführen. Gegenwärtig betreiben benachteiligte Personen mehr als die Hälfte aller Tabaktrafiken in Österreich.
Wer die Trafik in Heiligkreuz 1922 nun erhalten hat, ist nicht bekannt. Es gibt wohl Vermutungen, aber nur vage, sodass keine verlässliche Aussage möglich ist. Als sicher gilt, dass Anton Plörer (Vater der Hilda Gstrein, Heiligkreuz) ab der Zwischenkriegszeit in der Seiten eine Trafik betrieben hat. Im Hausgang der versperrte Schrank – für die Kinder war er eine besondere Herausforderung. Hilda schmunzelnd: „A siamol weard woll a Zigrettn gfalt hobm“. Gesichert ist ebenso, dass Anton Plörer in den letzten Kriegsjahren und später ab 1953 Pächter des Gasthauses in Heiligkreuz war – wer das Gasthaus hatte, hatte meist auch die Trafik. Als weitere Pächter in Erscheinung traten Fidelius Reinstadler (Vater des „Neaderar Viz“) und nach dem Krieg für einige Jahre Frau Agnes Gstrein aus Zwieselstein („Loislas Agnes“, später verheiratet mit Alois Gufler, wohnhaft in Windau).
Ab 1953/54 war Hilda Gstrein Haushälterin im Widum und auch verantwortlich für das Gasthaus. Wenig später erwarb sie mit ihrem Mann Hansl das Gebäude unter der Auflage, dem Kaplan eine Wohnung zu errichten und ihn entsprechend zu versorgen. Für die Bereitstellung von Milch, Butter, Holz und Mist waren alle Höfe um Heiligkreuz gemeinsam verantwortlich. Die Einkäufe in Geschäft und Trafik fanden meist am Sonntag nach der hl. Messe statt. Tabak wurde in Umhausen im sogenannten „Tabakhauptverlag Ötztal“ bestellt. Hilda: „De Freitoge zmoarns hot dr Pirpamer, oder wer holt gforn ischt, de Holzkischtna mitn Galte drin mitgenomen, znochts mitn Tabak drin wiedr brocht“. Um die wertvolle Fracht zu sichern hatte die Kiste 2 Schlüssel, einen in Heiligkreuz und einen in Umhausen. Eine Bestellung bestand in der Regel aus Pfeifentabak und ca. 3.000 Zigaretten. Manche mögen sich noch an die legendären „Dreier“ erinnern, welche aus der Großpackung heraus einzeln gekauft wurden.
Als Genussmittel war Tabak in den verschiedensten Formen sehr verbreitet. Mitunter wurde Rauchen auch als ein Statussymbol gesehen, davon zeugen unzählige Fotos von Männern mit aufwändig hergestellten Pfeifen. Tabak war teuer, was auch zu Tabakanbau im Ventertal nach dem II. Weltkrieg führte. Martin Gstrein aus der Seite: „Drlobet werds nt gewesen sein, obr es hots decht gebm. A poor hobm o in Zeiungspapier gewuzelt“. So mancher verdiente sich mit dem Tabak-Schmuggel ein gutes Zubrot. Wie kann es anders sein, auch hier waren Betrüger unterwegs. So soll ein Wanderhändler eine Holzkiste mit Sägemehl und nur obenauf mit Tabak verkauft haben. Ob jener Geschäftsmann nochmal ins Ötztal kam, ist nicht überliefert.
Um 1980 sperrte das Lebensmittelgeschäft seine Türen zu, das Gasthaus mit der Trafik etwa 10 Jahre später. Für Nichtraucher vielleicht weniger verständlich, Tabak war zweifellos wichtig und bis in die letzten Winkel des Landes florierte der Handel. Dass es einmal „in dr Seiten“ eine Trafik gab, ist aus heutiger Sicht dennoch beachtenswert.
Text: Wolfgang Santer, Chronist
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